Der Verkehrssektor als großer CO2-Emittent steht vor einem tiefgreifenden Wandel aufgrund der Notwendigkeit, seine Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. Für die Industrien des Sektors ist die Weiterentwicklung der Elektromobilität wichtig, die jedoch noch auf technologische Herausforderungen stößt. Das Team des Projekts VEHICLE hat eine innovative Lösung entwickelt, mit der die Energiespeicherung in Elektrofahrzeugen verbessert werden kann. Tedjani Mesbahi, Forscher an der INSA Strasbourg in der Arbeitsgruppe Heterogene Systeme und Mikrosysteme des ICube-Labors, war der wissenschaftliche Leiter des Projekts.
Die Entwicklung neuer, leistungsfähigerer Technologien zur Energiespeicherung als große Herausforderung für den ökologischen Wandel
Am 27. Oktober 2022 läutete die Europäische Union das Ende der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ein: ihre Mitgliedsstaaten schlossen ein Abkommen, das das Ziel von null CO2-Emissionen für neue Autos und Kleintransporter ab 2035 festlegt. Demnach werden dann nur noch Elektroautos auf dem Neuwagenmarkt zugelassen. Mit der Elektrifizierung des Mobilitätssektors werden Energiespeichergeräte in unserem Alltag immer wichtiger. Derzeit werden Elektrofahrzeuge mit Li-Ionen-Batterien (für Lithium-Ionen) betrieben, die unter erheblichen Mängeln leiden: Sie lassen sich nur langsam aufladen, haben eine begrenzte Lebensdauer und basieren auf der Nutzung endlicher Ressourcen. Die Umweltproblematik wird also durch eine große technologische Herausforderung komplettiert. Es gilt, innovative Lösungen zu finden, um die Energiespeicherung leistungsfähiger, wirtschaftlicher und nachhaltiger zu machen.
Eine innovative Lösung dank zweier Speichertechnologien und künstlicher Intelligenz
Die Partner des Projekts VEHICLE arbeiteten jeweils innerhalb ihres eigenen Fachbereichs: Modellierung und Softwareentwicklung seitens der INSA Straßburg, Elektrochemie seitens der Hochschule Trier und Systemintegration (Routen, Wetter) seitens der Hochschule Karlsruhe. „Es war sehr vorteilhaft auf diese Weise zusammenzuarbeiten. Wir haben die Aufgaben getrennt, was bei dieser Art von Projekt nicht unbedingt üblich ist, aber es hat sehr gut funktioniert und uns ermöglicht, trotz Covid voranzukommen und nicht in Verzug zu geraten“, sagt Tedjani Mesbahi. Dank dieser Komplementarität und Organisationsweise konnten die Teams eine Lösung entwickeln, die in dreierlei Hinsicht innovativ war. Erstens haben die Forscher zwei Speichertechnologien kombiniert: eine Hochenergietechnologie und eine Hochleistungstechnologie. Konkret bedeutet dies die Schaffung einer hybriden Speicherquelle aus Li-Ionen-Batterien und einem Superkondensator. Superkondensatoren laden sich schnell auf und können Leistungsspitzen liefern, haben aber eine geringe Speicherkapazität und eine kurze Akkulaufzeit. Li-Ionen-Batterien gleichen dies aus und liefern die fehlende Speicherkapazität. Der zweite Weg, der beschritten wurde, um Energiespeicher leistungsfähiger zu machen, bestand darin, künstliche Intelligenz einzusetzen, um deren Lebensdauer zu verbessern. Mithilfe von Sensoren können Daten gesammelt werden, um das Verhalten von Energiespeichern besser zu verstehen und so eine vorausschauende Wartung einzuführen und die Alterung zu verlangsamen. „Diese Strategie des intelligenten Energiemanagements ermöglicht es, die Lebensdauer der Hybridquelle um 19 % zu verlängern“, erläutert Tedjani Mesbahi. Langfristig könnten weitere Daten über das Fahrverhalten der Person am Steuer und die Umgebung (Geländebeschaffenheit, Temperatur) einbezogen werden, um personalisierte Ratschläge zur Verlängerung der Lebensdauer der Batterien zu geben. Schließlich ist dieses leistungsfähige und intelligente Energiespeichersystem mit einem Motor mit variabler Reluktanz gekoppelt, um den Energieverbrauch zu optimieren. Insgesamt ermöglicht die vom Projektkonsortium vorgeschlagene Lösung also eine Senkung der Gesamtkosten eines Elektrofahrzeugs über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg.
Fortführung des Erfolgsprojekts: Technologietransfer und ein Horizon Europe Projekt
Das Projektteam von VEHICLE hat von Anfang an Kontakte zu Unternehmen aus den Bereichen Mobilität und Energiespeicherung geknüpft, um den Technologietransfer zu erleichtern. Während des gesamten Projekts wurden Webinare mit Forschenden und Industrievertretern organisiert, und die Unternehmen Volvo Construction Equipment Germany und Daimler Truck stellten auf der Abschlusskonferenz des Projekts ihre Arbeit zur Elektrifizierung von Lastkraftwagen vor. Die entwickelte Technologie wird auch in einem anderen Kontext als dem der Elektroautos genutzt. Théophile Paul, der seine Dissertation im Juli 2022 verteidigt hat, wendet das hybride Energiespeichersystem auf einen elektrischen Umschlagstapler für die Industrie 4.0 an. Sein unternehmerisches Projekt, das von SATT Conectus unterstützt wird, war auch einer der Gewinner des französischen Innovationswettbewerbs i-PhD. Und Tedjani Mesbahi und seine Mitarbeitenden werden bald ein neues Großvorhaben in Angriff nehmen: ihr Projekt ENERGETIC wird von Horizon Europe, dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, finanziert. Ziel ist es, die industrielle Batterie-Wertschöpfungskette in Europa weltweit wettbewerbsfähiger zu machen. Über die Fortschritte dieses neuen Projekts wird auf dem Forschungsblog des INSA Straßburg berichtet werden.
Das VEHICLE-Projekt (für „AdVanced li-ion battEry/supercapacitor HybrId energy storage system with synchronous reluctance maChine for eLEctric vehicle applications“) wurde von September 2019 bis Juli 2022 von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Interreg V Oberrhein sowie durch die deutschen und französischen Regionalpartner der Initiative „Wissenschaftsoffensive“ kofinanziert und brachte drei wichtige akademische Partner zusammen: die INSA Strasbourg, die Hochschule Karlsruhe und die Hochschule Trier. Die Sheffield Hallam University, die École Centrale de Lille und die Université de Nantes waren als assoziierte Partner an dem Projekt beteiligt. Die Wissenschaftsoffensive: Aufgrund ihres Erfolgs wird die Initiative im Zeitraum 2021-2027 fortgeführt, für den zwei Projektaufrufe vorgesehen sind. Aufbauend auf der Dynamik der grenzüberschreitenden wissenschaftlichen Zusammenarbeit möchten die mitfinanzierenden Partner der Wissenschaftsoffensive nun den Transfer und die Verwertung der Ergebnisse der öffentlichen Forschung unterstützen und den positiven Effekt der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Unternehmen und die Gesellschaft verstärken, zugunsten der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung der Trinationalen Metropolregion Oberrhein. Der vierte Aufruf der Wissenschaftsoffensive ist seit dem 5. Januar 2023 veröffentlicht (bis zum 24. März) und legt den Schwerpunkt auf den Wissens- und Technologietransfer. Gleichzeitig trägt er somit zur Erreichung der Ziele der Trinationalen Metropolregion Oberrhein (TMO) bei. Alle Informationen zur Wissenschaftsoffensive sind auf der Webseite der Säule Wissenschaft zu finden.