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Interview: HelpMeWalk – Wo künstliche Intelligenz und grenzüberschreitende Kooperation die Herstellung von Orthesen neu erfinden

Eine intelligente Bandage, die anatomische Formen digitalisiert: das ist die Lösung, die das Projekt HelpMeWalk entwickeln wird, um personalisierte Orthesen effizienter herzustellen. Diese Innovation wird von einem trinationalen Konsortium entwickelt, bestehend aus der Universität Straßburg, der Fachhochschule Nordwestschweiz, der Hochschule Kaiserslautern und der Hochschule Furtwangen. Die Forscherinnen und Forscher arbeiten mit Industriepartnern und Orthopädiepraxen zusammen, um eine innovative technologische Lösung für Messungen zu entwickeln: eine intelligente Bandage, die mit Hunderten von Magnetsensoren ausgerüstet ist. Die Säule Wissenschaft hat sich mit dem Träger dieses im Rahmen der Wissenschaftsoffensive finanzierten Projekts unterhalten, der uns über die Entstehung des Projekts, die Expertise der beteiligten Forschungsteams und die Fortschritte berichtet, die diese Technologie sowohl für Ärzte als auch für Patienten bringen wird.

Können Sie sich kurz vorstellen und Ihre Rolle im Projekt HelpmeWalk beschreiben?

Mein Name ist Morgan MADEC, ich bin Universitätsprofessor und im Bereich Lehre an der Télécom Physique Strasbourg sowie im Bereich Forschung am Forschungslabor ICube der Universität Straßburg tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit bin ich wissenschaftlicher Koordinator des Projekts HelpMeWalk.

 

Wie ist die Idee von HelpMeWalk entstanden und was entwickeln Sie in diesem Projekt?

Orthesen sind Hilfsmittel, die Fehlfunktionen eines Körperteils ausgleichen. Ausgehend von der Feststellung, dass die herkömmliche Herstellungsweise von Fußorthesen weder aus technischer Sicht noch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt optimal ist, haben wir uns auf die Entwicklung eines neuen Verfahrens konzentriert. Derzeit werden diese Orthesen über einen Gipsabdruck des Fußes hergestellt. Danach werden anhand dieses Abdrucks orthopädische Messungen vorgenommen. Diese Messung kann jedoch fehlerhaft sein und zur Anfertigung einer unbrauchbaren Orthese führen, insbesondere wenn der Gips nicht richtig auf der Haut haftet. Außerdem muss lange gewartet werden, bis der Gips getrocknet ist. Während dieser Zeit muss der Orthopädietechniker das Gelenk in korrigierter Position stabilisieren. Letztendlich führt diese Technik zur Herstellung von Hunderten und Aberhunderten von Gipsverbänden, die irgendwo gelagert werden müssen.

Wir haben daher eine Lösung entwickelt, mit der die Form des Sprunggelenks mithilfe von Sensoren direkt digitalisiert werden kann. Diese Methode ist präziser als die bisherige, komfortabler für den Patienten, schneller für den Orthopädietechniker und verursacht weniger Abfall.

 

Welche Technologie steckt hinter HelpMeWalk?

Um die Messung durchzuführen, umwickeln wir den Fuß mit einer Bandage, in die Hunderte von Magnetsensoren integriert sind, und legen ihn auf eine Platte, welche einer Induktionsplatte ähnelt und in die Spulen eingebaut sind, die Magnetfelder erzeugen. Die Magnetsensoren in der Bandage erfassen das von jeder Spule der „Induktionsplatte” erzeugte Feld. Anhand dieser Messungen können wir die Position jedes einzelnen Sensors bestimmen und so ein 3D-Modell des Sprunggelenks erstellen. Anschließend kann die Orthese direkt auf dem 3D-Modell entworfen und ausgedruckt werden – alles mit einem einzigen Software-Tool.

 

Im Konsortium Ihres Projekts sind mehrere Hochschulpartner aus der Oberrheinregion beteiligt. Welche Kompetenzen bringen jede Einrichtung mit?

Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) ist für die Entwicklung der elektronischen Geräte für dieses Projekt verantwortlich. Dazu gehören die Leiterplatten, auf denen die Magnetsensoren verlötet werden, sowie die Steuerung der Spulen, die die Magnetfelder erzeugen.

Nachdem die magnetischen Messungen mit den Sensoren vorgenommen wurden, muss die genaue Position der Sensoren ermittelt werden. Diese Aufgabe übernimmt unser ICube-Labor an der Universität Straßburg. Der verwendete Algorithmus ähnelt dem für Geolokalisierung, ist jedoch an die Größe der Aufgabe und die Art der durchgeführten Messungen angepasst.

Nach Ermittlung der Position der Sensoren erhalten wir eine Punktewolke, die miteinander verbunden werden muss, um die anatomische 3D-Form des Sprunggelenks zu erhalten. Dieser Teil wird von der Hochschule Kaiserslautern getragen.

Schließlich ist die Hochschule Furtwangen für die Verkapselung der Sensoren und Elektronikkarten in einem biokompatiblen Polymer zuständig, das die Robustheit des Geräts gegenüber mechanischen Belastungen während des Gebrauchs (Verdrehung, Scherung) und sonstigen Einsatzbedingungen (Feuchtigkeit, Schweißabsonderung der Haut) verbessern soll.

 

Was ist für Sie der Vorteil, dieses Projekt mit Partnern aus der Grenzregion zu entwickeln, und umgekehrt, welchen Mehrwert bringt Ihr Projekt für den Oberrhein?

Der Vorteil ist, dass wir die meisten Partner bereits kannten. Wir arbeiten derzeit an mehreren Projekten mit der FHNW zusammen, bei denen Magnetfeldsensoren und Magnetfelder für Standortmessungen eingesetzt werden. Wir hatten bereits ein grenzüberschreitendes Projekt mit der Hochschule Furtwangen durchgeführt, und die Zusammenarbeit verlief sehr gut, da sich unsere Arbeitsweisen gut ergänzen. Wir haben übrigens bereits weitere Projekte mit ihnen gestartet, da die Zusammenarbeit nach wie vor sehr gut funktioniert. Die geografische Nähe unserer Forschungsinstitute ermöglicht es uns, ein echtes Vertrauensverhältnis aufzubauen, und sorgt dafür, dass wir viele Ideen für neue Kooperationen haben!

Im Oberrheingebiet, in einem Umkreis von 100 km, gibt es drei Länder, drei Arbeitsweisen, drei Arten, technologische Fortschritte zu begleiten und die Bedürfnisse von Fachleuten und Patienten zu berücksichtigen. Das ist bereichernd für unseren Ansatz und ermöglicht uns eine ganzheitlichere und kohärentere Herangehensweise an unsere Entwicklung. Diese neue Technologie interessiert übrigens nicht nur den Oberrhein, wir haben auf internationalen Messen auch vielversprechende Kontakte geknüpft.

Auch aus akademischer Sicht denke ich, dass wir keine Schwierigkeiten haben werden, intern interessierte Personen zu finden, die auf Basis dieser Technologie Satellitenprojekte entwickeln möchten. Wir haben die Technologie zunächst für Fußerkrankungen entwickelt, aber sie könnte in Zukunft auch auf andere Körperteile angepasst werden.

Da die Oberrheinregion ein bedeutender Industriestandort ist, kann unsere Technologie hier zur Entwicklung von Unternehmen im Bereich der Medizintechnik beitragen. Da die Region zudem sehr dicht besiedelt ist, sind wir überzeugt, dass diese neue Art der Orthesenherstellung vielen Menschen zugutekommen wird.

 

Das Projekt HelpMeWalk ist ein Projekt der Wissenschaftsoffensive der Trinationalen Metropolregion Oberrhein, welche vom Interreg-Programm Oberrhein, der Région Grand Est, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg und dem Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz kofinanziert wird. Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Kantone der Nordwestschweiz beteiligen sich an der Finanzierung der Schweizer Projektpartner.

Weitere Informationen: https://helpmewalk.eu/

Interview: HelpMeWalk – Wo künstliche Intelligenz und grenzüberschreitende Kooperation die Herstellung von Orthesen neu erfinden