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Interview: ALBUCOL, eine deutsch-französisch-schweizerische Forschungskooperation für 100 % natürliche Biomaterialien zur Geweberegeneration

Ein vielversprechender Fortschritt für die regenerative Medizin: Das Projekt ALBUCOL entwickelt 100 % natürliche Biomaterialien für die Gewebekonstruktion und die regenerative Medizin. Diese Innovation wird von einem trinationalen Konsortium getragen, dem Institut national de la santé et de la recherche médicale de Strasbourg (INSERM – Straßburg, FR), dem Natural and Medical Sciences Institute (NMI – Reutlingen, DE) der Universität Basel (DBM – Basel, CH) und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW – Muttenz, CH). Die Forscherinnen und Forscher arbeiten mit Industriepartnern zusammen, um Knorpel- und Knochengewebe zu regenerieren und so Knorpeldefekte und angeborene Knochenfehlbildungen zu behandeln. Die Säule Wissenschaft hat mit dem Träger dieses im Rahmen der Wissenschaftsoffensive finanzierten Projekts gesprochen, der uns über die Entstehung des Projekts, die Expertise der Forschungsteams und die Fortschritte, die diese Technologie für Ärzte und Patienten bringen wird, berichtet.

Können Sie sich kurz vorstellen und Ihre Rolle im Projekt ALBUCOL beschreiben?

Mein Name ist Philippe LAVALLE, ich bin Forscher am Institut national de la santé et de la recherche médicale (INSERM) in Straßburg und Direktor der Unité mixte de recherche UMR_S1121 (Biomaterials & Bioengineering) im Centre de Recherche de Biomédecine de Strasbourg (CRBS). Außerdem bin ich wissenschaftlicher Koordinator des ALBUCOL-Projekts.

Wie ist die Idee von ALBUCOL entstanden und was entwickeln Sie in diesem Projekt?

Unsere Idee entstand aus der Tatsache, dass es heute keine wirklich zufriedenstellende Lösung für den Wiederaufbau von Gewebe wie beispielsweise Knorpel gibt. Knorpel hat eine geringe Regenerationsfähigkeit, was bedeutet, dass er sehr schwer zu reparieren ist, wenn er beispielsweise durch ein Trauma beschädigt wurde. Die derzeit verwendeten Materialien haben mehrere Nachteile: Sie sind oft nicht ausreichend widerstandsfähig, nicht immer biokompatibel und lassen sich nicht optimal in den Körper integrieren.

Welche Technologie steckt hinter ALBUCOL?

Wir haben ein Biomaterial auf biologischer Basis entwickelt, das wir langfristig direkt aus dem Patienten gewinnen könnten. Es ist biokompatibel und nicht immunogen und seine strukturellen Eigenschaften ermöglichen eine klinische Anwendung. Konkret haben wir uns für zwei Proteine entschieden, die natürlicherweise im menschlichen Körper vorkommen: Albumin und Kollagen, welche eine optimale Biokompatibilität aufweisen. Das Prinzip der Methode besteht in der umweltfreundlichen Kombination dieser beiden Proteine in unterschiedlichen Anteilen, um eine Reihe poröser Materialien herzustellen, die die Zellentwicklung begünstigen. Die Idee ist also, Albumin und Kollagen zu mischen, um die strukturierenden Eigenschaften des Albumins zu nutzen und gleichzeitig dank des Kollagens die Implantation und Entwicklung der Zellen zu fördern. Anschließend planen wir, das Material mit Chondrozyten, also Knorpelzellen, die dem Patienten entnommen wurden, zu besiedeln. Das Implantat ist somit nicht immunogen, da es sich um die eigenen Zellen des Patienten handelt. Nach der Implantation können sich die Chondrozyten weiterentwickeln, die gesamte Struktur bedecken und den Knorpelschaden beheben. Albumin und Kollagen werden parallel abgebaut und machen Platz für die neue Knorpelstruktur. Wir verwenden auch andere Proteine und streben die Wiederherstellung von Knochengewebe an.

Im Konsortium Ihres Projekts sind mehrere Hochschulpartner aus der Oberrheinregion beteiligt. Welche Kompetenzen bringt jede Einrichtung mit?

Wir am INSERM (Team von Dr. Philippe Lavalle) interessieren uns insbesondere für die Herstellung von Materialien auf Albumin- oder Ovalbuminbasis. Wir haben bereits erste In-vivo-Tests mit porösen Biomaterialien durchgeführt, die zu 100 % aus Albumin bestehen und sich beim Mausmodell als sehr vielversprechend erwiesen haben. Diese Ergebnisse ebnen heute den Weg für Versuche an Großtieren und morgen für klinische Anwendungen.

Das NMI (Team von Dr. Xin Xiong) verfügt über umfassende Fachkenntnisse im Bereich Kollagen und entwickelt im Rahmen dieses Konsortiums eine breite Palette an Hybridmaterialien, die Albumin und Kollagen kombinieren und auf einer patentierten Methodik basieren, die wir in das Konsortium einbringen. Das Team ist auch an der Charakterisierung dieser Biomaterialien beteiligt.

An der Universität Basel, im Fachbereich Biomedizin (Team von Prof. Arnaud Scherberich), ermöglicht die Nähe zum Universitätsspital Basel die Beschaffung der für das Projekt benötigten Chondrozyten. Darüber hinaus verfügt dieses Team über umfassende Fachkenntnisse im Bereich der Zelldifferenzierung zu Knochengewebe.

Die FHNW (Team von Prof. Michael de Wild) ist während des gesamten Projekts mit hochkarätiger analytischer Expertise beteiligt, insbesondere bei der Prüfung der Porosität und biomechanischen Festigkeit der Biomaterialien, wobei sie sich jedoch auf unsere besten Kandidaten konzentriert.

Was ist für Sie der Vorteil, dieses Projekt mit Partnern aus der Grenzregion zu entwickeln, und umgekehrt, welchen Mehrwert bringt Ihr Projekt für den Oberrhein?

Das Oberrheinbecken ist eine besonders geeignete Region für unser Projekt, da hier in einem sehr begrenzten geografischen Gebiet komplementäre Fachkenntnisse mobilisiert werden können. Ohne dieses Projekt hätten wir nicht mit der FHNW zusammenarbeiten können, welche uns mit ihrem hochspezialisierten Fachwissen unterstützt. Obwohl bereits eine Zusammenarbeit zwischen dem Inserm und der Universität Basel bestand, konnten wir dank diesem Projekt eine neue Dimension erreichen und wertvolle neue Partner wie das NMI und die FHNW gewinnen. Das ALBUCOL-Konsortium ist zwar zunächst auf drei Jahre angelegt, doch wird diese Art der Zusammenarbeit oft weit darüber hinaus fortgesetzt, was uns die Möglichkeit bietet, diese Partnerschaften langfristig zu festigen.

Für die Oberrheinregion ermöglicht das Projekt die Finanzierung von Forschenden aus der Region und stärkt unsere regionale Führungsposition im Bereich Medtech sowie unseren Anspruch auf den Status einer europäischen MedTech-Valley. Langfristig sollen unsere Technologien und Implantate weit über die Oberrheinregion hinaus Anwendung finden.

Das Projekt ALBUCOL ist ein Projekt der Wissenschaftsoffensive der Trinationalen Metropolregion Oberrhein, welche vom Interreg-Programm Oberrhein, der Région Grand Est, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg und dem Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz kofinanziert wird. Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Kantone der Nordwestschweiz beteiligen sich an der Finanzierung der Schweizer Projektpartner.

Weitere Informationen zum Projekt: https://www.fhnw.ch/de/forschung-und-dienstleistungen/lifesciences/medizintechnik-und-medizininformatik/projekte/albucol-interreg

Interview: ALBUCOL, eine deutsch-französisch-schweizerische Forschungskooperation für 100 % natürliche Biomaterialien zur Geweberegeneration